Chinesische Investoren drängen
auch nach Deutschland
Hamburg
ist die Hochburg chinesischer Unternehmen / Übernahmen
haben gegenüber Neugründungen den Vorzug / " 80 Millionen
Deutsche haben die gleiche Kaufkraft wie 1,3 Milliarden Chinesen"
FRANKFURT,
4. Juli.2004 Niedrige Lohnkosten und ein großer
Absatzmarkt locken schon seit langem deutsche Investoren nach
China. Viele Unter- nehmer gründen im Reich der Mitte Repräsentanzen,
Gemeinschafts- unternehmen oder Tochtergesellschaften. Es zeigt
sich aber immer deutlicher: Diese Entwicklung ist keine Einbahnstraße.
Der Strom von Geldern fließt auch in die entgegengesetzte
Richtung - vor allem nach Hamburg. Die Hansestadt ist die Hochburg
chinesischer Investitionspioniere in Deutschland. Mehr als dreihundert
Unternehmen aus dem Reich der Mitte beheimatet Hamburg - so viele
wie keine andere Stadt in Deutschland. Damit sich chinesische
Unternehmen innerhalb der Stadtgrenzen ansiedeln, reisen Mitarbeiter
der Hamburgischen
Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) zusammen
mit dem Bürgermeister regelmäßig durch zwanzig
Provinzen der Volksrepublik. "In Präsentationen stellen
wir den Wirtschaftsstandort Deutschland vor", sagt Stefan
Matz, Leiter für Neuansiedlung bei der HWF. "Wir konzentrieren
uns dabei natürlich auf Hamburg. Hier können wir zum
Beispiel Berater und Rechtsanwälte vermitteln." Als
besonderen Anreiz zahlt die Stadt Hamburg neu angesiedelten chinesischen
Unternehmen
ein halbes Jahr lang einen Mietzuschuß von monatlich 800
Euro.
Auch Chinatex, den zweitgrößten Textilhersteller Chinas,
zog es an die Elbe. Im vergangenen Jahr gründete das Unternehmen
eine Tochtergesellschaft in Hamburg. Die Mode Contor Hamburg GmbH
entwirft Modekollektionen, die sie anschließend in den sechzig
Produktionsstätten der Muttergesellschaft Chinatex in Asien
produzieren läßt. Das Unternehmen verfolgt dabei zwei
Strategien: Zum einen fertigt Chinatex kostengünstige Textilien,
aber auch die Kleidung für Markenprodukte wie Ralph Lauren
entsteht in den Werken in China. Das Unternehmen vertreibt die
Kleidungsstücke anschließend über große Waren-
und Kaufhäuser wie Galeries Lafayette in Berlin. Acht Millionen
Euro Umsatz erwirtschaftete Mode Contor im vergangenen Jahr. Der
deutsche Markt birgt weiter Potential: Das Unternehmen will die
Zahl in diesem Jahr verdoppeln und 2005 die Gewinnzone erreichen. "Mode
Contor ist für Chinatex das Fenster nach Deutschland. Später
wollen wir unser Angebot auf Europa ausweiten", sagt Geschäftsführer
Wang Yan.
Viele chinesische Investoren sehen Deutschland
als Tür zum
europäischen Markt. "Wir stehen am Anfang einer großen
Entwicklung", glaubt Engelbert Boos. Der Investitionsberater
für deutsche und chinesische Firmen arbeitete zehn Jahre lang
in der Volksrepublik. "Infolge der Ost-Erweiterung leben in
der EU genauso viele Menschen wie in den Vereinigten Staaten. Außerdem
haben achtzig Millionen Deutsche die gleiche Kaufkraft wie 1,3
Milliarden Chinesen", sagt Boos. Der deutsche Mittelstand
sei durch die Krise geschwächt, deswegen könnten chinesische
Investoren Patente und Technologien billig erwerben, indem sie
ein deutsches Unternehmen komplett übernehmen. So nutzen sie
die am Markt etablierte Marke sowie existierende Vertriebsstrukturen
und Kundenbeziehungen. "Es ist die Ausnahme, daß Chinesen
in Deutschland neue Firmen aufbauen", sagt Matz von der HWF. "Vielmehr
geht der Trend dahin, daß sie Unternehmen aufkaufen."
So war es der Fall im Frühjahr 2002: Als die Welz Gas Cylinder
GmbH in Rathenow nahe Berlin Insolvenz anmeldete, wurde das Unternehmen
von der Huapeng Trading GmbH gekauft, einer Handelsgesellschaft
für chinesische Haushalts- und Industriewaren. Der neue Geschäftsführer
Jiang Zhou hatte sich schon während seines Studiums der Volkswirtschaftslehre
in Heidelberg das Ziel gesetzt, auf dem deutschen Markt erfolgreich
zu sein. "Deutschland ist ein traditioneller Industriestandort
und ein technisch hervorragender Herstellungsort. Der Markt hier
ist auch viel stabiler als der chinesische", sagt Jiang. Welz
Gas Cylinder hat der junge Chinese zumindest aus der Krise geführt:
Dieses Jahr plant er, sechs Millionen Euro umzusetzen. Gewinn machte
das Unternehmen schon 2003. Jiangs Expansionsdrang setzt sich fort.
Er verhandle zur Zeit mit fünf Unternehmen, in die er investieren
wolle.
So bekannt wie Miele in Deutschland, so verbreitet
ist der Name Haier Electronics in China. Haier stellt sogenannte
weiße
Ware wie Kühlschränke und Mikrowellen sowie Elektronikgeräte
wie DVD-Spieler, Fernsehgeräte und Mobiltelefone her. Der
chinesische Staatskonzern erreicht einen jährlichen Umsatz
von 10 Milliarden Dollar. Jetzt mischt das Unternehmen auch in
Deutschland mit, baut sich seine Strukturen aber selbst auf. Vor
einigen Monaten richtete Haier Electronics Europe in München
und in Gießen zwei Repräsentanzen ein, die sich um Vermarktung
und Verkauf der Produkte kümmern. In Deutschland strebt Haier
einen Erlös von insgesamt 35 Millionen Euro für das laufende
Jahr an. 45 000 Elektronik- und 200 000 Haushaltsgeräte will
das Unternehmen verkaufen. "Deutschland ist für Haier
der wichtigste Zielmarkt, weil er der größte in ganz
Europa ist und der deutsche Verbraucher Qualität zu schätzen
weiß", sagt Paolo Mainardi, Hauptgeschäftsführer
von Haier Europe. Seine Fernsehgeräte läßt Haier
bei einem deutschen Montageunternehmen zusammenbauen. Die übrigen
Produkte werden in Asien gefertigt. Auf Qualität soll der
deutsche Kunde trotzdem nicht verzichten. "Wir wollen keine
Billigprodukte anbieten. Unsere Qualität ist dieselbe wie
bei Samsung und LG, weil wir die gleichen Einzelteile verwenden",
sagt Mainardi.
Auch Huawei Technologies unterhält in Deutschland eine Tochtergesellschaft
mit Sitz in München und im hessischen Eschborn. Das High-Tech-Unternehmen
baut Mobilfunknetzwerke auf und produziert Geräte zur Datenübertragung
wie Router oder LAN- Switches. Die chinesische Muttergesellschaft
erhofft sich eine weltweite Imageverbesserung, weil sich ihre Produkte
auch in Deutschland verkaufen. Denn: "Der deutsche Markt belohnt
denjenigen, der stark in der Innovation ist", sagt Pressesprecher
Sören Pürschel und fügt hinzu: "Unser Umsatz
in Deutschland wächst ständig." 2004 werde das deutsche
Tochterunternehmen die Zahl des Vorjahres voraussichtlich verfünffachen.
Die Investitionen in Deutschland rentieren sich für die chinesischen
Geschäftsleute jedoch nicht immer. 1998 scheiterte der erste
Versuch einer chinesischen Direktinvestition.
Um Bleistifte "Made in Germany" zu produzieren und dadurch
nordamerikanische Schutzzölle zu umgehen, gründete Asiens
größter Bleistiftfabrikant, China First Pencil Company,
die Norddeutsche Bleistiftfabrik GmbH in Neustadt-Glewe. 100 Millionen
Bleistifte wollte das Unternehmen dort jährlich produzieren.
Nach wenigen Monaten stellte China First Pencil die Produktion
jedoch wieder ein. Die Bleistifte galten nicht als deutsches Produkt,
weil sie zu großen Teilen in China vorgefertigt wurden. Auch
entsprachen die Maschinen, die China First Pencil aus dem Heimatland
anlieferte, nicht den deutschen Sicherheitsvorschriften. Insgesamt
drei Millionen Euro Fördermittel flossen damals in die Bleistiftfabrik.
Drei Jahre später scheiterte eine weitere chinesische Investition
in Deutschland: Der Mischkonzern D'Long kaufte die zahlungsunfähige
Hirschfelder Leinen- und Textil GmbH im sächsischen Zittau.
Diese mußte anderthalb Jahre später abermals Insolvenz
anmelden, und D'Long verlagerte einen Großteil der Produktion
nach Rumänien. "Die Chinesen machen heute die gleichen
Fehler wie die Deutschen früher in China", sagt Investitionsexperte
Boos. Die chinesischen Investoren müßten dem Unternehmen
ein europäisches Gesicht geben. Sonst werde es Defizite in
der Akzeptanz haben.
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